Yechiel Brukner, Rabbiner der Synagogengemeinde Köln, und Weihbischof Rolf Steinhäuser, Bischofsvikar für Ökumene und interreligiösen Dialog, kennen und schätzen sich als Gesprächspartner seit Yechiel Brukner Ende 2018 nach Köln kam. Nun tauschten sie sich im Rahmen einer christlich-jüdischen Soiree auf Einladung des Arbeitskreises christlicher Kirchen (ACK) im Kapitelsaal der Kölner Kartäuserkirche unter anderem über das Projekt „#beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst“ aus.
Beziehungen zwischen Juden und Christen im Mittelpunkt
Normalerweise lädt der ACK im Januar eines jeden Jahres zu einem Neujahrsgottesdienst ein. Doch, so erläutert Susanne Beuth, Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Köln-Mitte, sei 2021 ein besonderes Jahr. „Wir erinnern in den kommenden Monaten an 1700 Jahre jüdisches Leben in Köln. Darum möchten wir in ganz unterschiedlichen Aktionen die Beziehungen zwischen Juden und Christen in den Mittelpunkt stellen und laden nun zu dieser Soiree ein.“
Plakataktion #beziehungsweise
Ein besseres Kennenlernen der jüdischen Kultur und des jüdischen Glaubens hat sich auch die bundesweite Plakataktion der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zum Ziel gesetzt. Unter der Überschrift „#beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst“ wird in zwölf Plakaten Verbindendes in Christen- und Judentum aufgezeigt, aber eben auch die Unterschiede sollen Thema sein. In Nordrhein-Westfalen werden auf den Monatsplakaten jüdische und christliche Gedenk- und Feiertage in Verbindung zueinander gesetzt.
Lebendiger Austausch
Im Januar geht es um „B’reschit – Im Anfang war das Wort“ und besser könnte das Gespräch zwischen Rabbiner und Weihbischof nicht überschrieben werden. Der lebendige Austausch zwischen Rolf Steinhäuser und Yechiel Brukner sei inzwischen eine gute Gewohnheit und gehe mit jedem Gespräch tiefer, so die Dialogpartner.
Und so wurde das Gespräch, moderiert von Thomas Frings, Referent für interreligiösen Dialog im Erzbistum Köln, philosophisch-theologisch, ging aber zwangsläufig zunächst auch auf die deutsche Geschichte ein. „Die Vitalität des jüdischen Lebens ist Wunder und ein Paradoxon“ bezeichneten Rabbiner und Weihbischof die Tatsache, dass sie auf 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland zurückblicken können. Denn natürlich könne man die Gräuel der Zeit des Nationalsozialismus nicht übergehen, die das jüdische Leben fast ausgelöscht haben, doch das Judentum sei eben auch fester Teil der Geschichte Deutschlands – nachgewiesenermaßen in einem Dokument belegt seit dem Jahr 321.
Annäherung trotz aufkeimenden Antisemitismus
So sagt Yechiel Brukner: „Deutschland hat einen Prozess durchgemacht. Es wird, trotz des wieder aufkeimenden Antisemitismus, durchaus auch Annäherung sichtbar.“ Und der Weihbischof ergänzt: „Wir sind alle in die deutsche Geschichte hineinverwickelt, selbst wenn wir nach Kriegsende geboren wurden. Dem müssen wir uns stellen. Wir müssen wach bleiben und der jüngeren Generation einen Zugang zu diesem Teil der Geschichte schaffen.“
Einer Historie, die es, wie der Rabbiner ausführt, im Grunde undenkbar machte, je wieder in einen Dialog miteinander zu treffen, doch gleichzeitig die Verpflichtung schuf, neu und offen ins Gespräch zu kommen, Solidarität zu schaffen. Diese Art der Solidarität zeigte der Weihbischof nach dem Anschlag auf die Haller Synagoge im Oktober 2019, als er die Kölner Synagoge besuchte, um ein Zeichen der Solidarität zu zeigen, denn: „Zusammenhalt darf nicht verbal bleiben.“
Um diesen Funken an junge Menschen weiterzugeben, soll es ein Projekt geben, in dem Jugendliche gecoacht werden. „Das ist gerade schwierig, aufgrund der Pandemie, doch langfristig wollen wir das gemeinsam starten. Das Phänomen Ohnmacht ist nur mit Zivilcourage zu bekämpfen, Ignoranz nur durch Dialog“, erläutert Yechiel Brukner die gemeinsamen Pläne.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Natürlich bleiben in einem solchen Gespräch Unterschiede nicht unerwähnt. Und so zeigte sich anhand des Monatsplakates „B’reschit – Im Anfang war das Wort“, dass hier durchaus andere Herangehensweisen in Bezug auf das Verhältnis Mensch zu Gott das Denken prägen. Weihbischof Steinhäuser: „In meinem Verständnis ist Gott unser Anfang ist. Er lässt sich auf uns ein. Wir sollen Wege finden, das Spirituelle in das Irdische einzubringen.“ Rabbiner Brukner entgegnet: „Jeder Mensch kann, in unserem Verständnis, die göttlichen Ideale in sich eindringen lassen und widerspiegelt die göttlichen Ideen.“
Gemeinsam sei den Religionen, die Herausforderung, auch heute noch das Wort Gottes zu vermitteln, waren sich Rabbiner und Weihbischof am Ende des Gesprächs, das musikalisch von durch den Kantor der Luther- und Kartäuserkirche Thomas Frerichs sowie Pianist Samuel Meller umrahmt wurde, einig.
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